§ 55 Bernd, Ulrichs Sohn, auf Gr. Renzow

Vorbemerkung : Bernd v. Blücher war einer der "bemerkenswerteren" meiner Ahnen. Er war der mittelalterliche Vorläufer des modernen Verkehrrowdys, und ist, soweit ich sehen kann, der einzige meiner Ahnen, der nach einem Strafprozeß hingerichtet worden ist.

    So trübe sich das Schicksal der beiden Brüder Christoph und Ulrich von Blücher aus dem Hause Gr. Renzow durch die Leiden des 30jährigen Krieges gestaltete, sie theilten dies unverschuldete Los doch mit ihren meisten Vettern und überhaupt mit den meisten meklenburgischen Gutsbesitzern. Einen noch viel traurigeren Verlauf nahm, und zwar durch seine Leidenschaftlichkeit, das Leben ihres Bruders Bernd, der sonst an Tüchtigkeit, Muth und Thatkraft seine Brüder weit überragte.
    Es ist von Bernd bereist gelegentlich erwähnt, dass er 1606 und 1607 mit seinem ältesten Bruder Christoph unter dem Prinzen Moritz von Oranien in den Niederlanden Kriegsdienste that, und dass er von allen Brüdern hernach, als der Vater, Ulrich, sich 1609 des Gutes Groß Renzow zu entledigen wünschte, allein es wagte, dasselbe unter schweren Bedingungen zu übernehmen, um es der Familie zu erhalten. Da er 5000 Rthlr. Schulden abzutragen, dem Vater 200, jedem der Brüder 1000 Rthlr. auszuzahlen hatte, so blieb ihm selbst fast nicht übrig. Aber er ging mit gutem Muthe an seine Arbeit und war in seinem Streben trefflich unterstützt durch seine Frau Dilliana, einer Tochter Christophs von Barner auf Bülow und Güstrow und der Anna geb. von Barold a.d.H. Dobbin. Seine Ehe war mit einer Reihe von Kindern gesegnet; sein Hauswesen gedieh, wir hören keine Klagen, so lange Meklenburg vor Krieg bewahrt blieb.
    Als aber nach der Schlacht bei Lutter am Barenberge (1626) die Dänen sich nach Meklenburg zurückzogen, und hernach die Feinde unter Tilly und Wallenstein ihnen folgten; da trat auch in Blüchers Wohlstand und Stimmung ein grosser Umschwung ein. Schon im Juli 1627 beschwerten sich S. Oertzen und Bernd Blücher auf dem Landtage über die Last der Einquartierungen und Requisitionen; sie dürften ohne Erlaubniss des Rittmeisters nicht vom Hofe gehen, nicht zu gedenken der vielen Beleidigungen und grossen Kosten; sie bitten um Hülfe, "sonsten sie das Ihrige verkaufen müssten".
    Blücher Stimmung verbitterte sich in dieser Lage mehr und mehr. Es kam hinzu, dass er neben der sonst so lobenswerten Energie wenig Herrschaft über sich besaß, zu Jähzorn und Gewaltthätigkeiten geneigt war. Schon 1605, noch vor seinem Abzuge nach den Niederlanden, hatte der Fiscal gegen ihn und zwei Gebrüder von Lützow wegen "vis publicae und Vorwegelagerung" eine Klage erhoben, die auch 1613 noch schwebte, jedoch da der Fiscal keiner Zeugen habhaft werden konnte, ohne Folgen blieb. Diesen Fall liess sich aber Bernd nicht zur Warnung dienen; vielmehr beging er am 13. December 1628 den allerschlimmsten Landfriedensbruch auf offener Landstrasse eine Todschlag ! Mann muss, um Gerechtigkeit zu üben, hervorheben, dass der einzige Zeuge der Bruder des Getödteten war; doch mag sich dessen Parteilichkeit nur auf den Beginn des Zusammenstosses beschränken. Uebrigens meinte dieser selbst, Blücher sei "vielleicht überrauschet" gewesen.
    Nämlich an dem genannten Tage ritt Bernd von Blücher von Gadebusch zurück nach seinem Gute Groß Renzow; desselben Weges kam hinter ihm eine Bauerwagen, auf dem ein ihm unbekannter Bauer aus Stöllnitz saß, während dessen Bruder die Pferde lenkte. Dort, wo sich die Wege nach Renzow und Stöllnitz trennen, hielt der Edelmann an, liess den Wagen an sich herankommen und hieb - nach dem Bericht des Knechtes "ohne jenige gegebene Ursache" - mit seinem Schwerte auf dem Bauern ein, liess sich auch, als dieser verwundert vom Wagen sprang und ihn als seinem Feldnachbarn, dem er nie etwas zu Leide gethan, fussfällig abzulassen bat, dadurch nicht beschwichtigen, sondern brachte ihm, zum Theil sogar in den Rücken, 14 Wunden bei, deren letzte ein tödtlicher Stich war, so dass der Bauer bald hernach, noch unterwegs, verschied. Auch auf dem Knecht des Bauern Bruder, war Blücher eingesprengt; doch hatte sich derselben unter die Pferde geflüchtet.
    Der Amtmann hielt auf die Klage der Anverwandten des Getödteten keine Gericht über die Leiche, so dass es ihnen vorkam, als sollte der Thäter in Geleit genommen werden. Es wurden auch Versuche gemacht, eine gütliche Abfindung zwischen von Blücher und der Wittwe des Bauern herbeizuführen, und Letztere sowie die nächsten Anverwandten zu Stöllnitz wollten sich schon zur Annahme einer Buße bequemen. Aber andere Verwandte des Getödteten, die sich in den Reichstädten Lübeck und Hamburg aufhielten, brachten die Sache zu Anfang Februars 1629 vor die Wallensteinsche Justiz-Canzlei in Güstrow, da der Thäter, wie sie sich ausdrucken, "in Ew. Fürstl.  Gnaiden" (d. h. des Herzogs Albrecht von Friedland !) "Bestallung anitzo ist und sich anderweit Krieges halber versuchet".
    Hiernach muss man wohl annehmen, dass Blücher in Wallensteins Dienst getreten war, um aus dem Lande. zu kommen; doch wissen wir nicht, wohin er sich begeben hatte.  Die Canzlei ging
auf die Klage ein und gab am 5. Februar den Beamten zu Wittenbug auf, "geregten Blüchern Angesichts dieses und in grosser Geheimb  in gefängliche Haft zu nehmen und ihn ohne allen Verzug
wohnverwahrlich anhero" (nach Güstrow) "bringen zu lassen". Ob solches hernach, als Blücher heimgekehrt war, geschehen ist, lässt sich aus aus den sehr unvollständig erhaltenen Acten nicht ersehen. Der Fiscal beantragte, dass Blücher möchte zur Caution zugelassen werden; aber das Hofgericht erkannte am 15. April 1629, der Beklagte sei zu gefänglicher Haft und Verwantwortung zu bringen, die bürgerliche Assecuration aber nicht zu verhängen, "damit er nicht dem Rechte den Rücken geben, und diese erschreckliche That ungestraft bleiben möge".
    Damit schliessen die vorhandenen Acten. Wie weit dieses Decret ausgeführt ist, ob Blücher etwa Milderungsgründe, vielleicht eine Reizung von Seiten des unglücklichen Bauern oder eigene Trunkenheit anzuführen vermocht, ob er sich vertheidigt und dadurch Freilassung erlangt hat, oder ob die ganze Sache einstweilen niedergerschlagen oder ausgesetzt ist, lassen wir dahin gestellt.  Nur so viel ist aus vielen Acten zu ersellen, dass Bernd von Blücher seitdem, mindestens bis zum Jahre 1641, auf seinem Gute Gr.-Renzow wohnte, dass er auch öffentlich unter seinen Standesgenossen erschien, dass er mit seinen Brüdern und Vettern bei der von den Vasallen und Städten für Wallenstein zu leistenden Erbhulding am 22. Jan. 1630 zu Güstrow war, dass er am 6. December 1632 sich unter der Ritterschaft befand, welche sich auf dem Ratthause zu Schwerin versammelte, um ihren aus dem Exil zurückgekehrten angestammten Herzogen von Meklenburg zu huldigen, und dass er den Sternberger Landtag im December 1634 besuchte.
    Uebrigens war das Jahrzehnt von 1630-40 für Bernd eine gar traurige Zeit. Denn 1630 verlor er an einer damals verbreiteten Seuche fünf von seinen Kindern; hernach zerstörten die mehrfach erwähnten Kriegsdrangsale seinen Wohlstand völlig, so dass er sich genöthigt sah, 1641 seine Gläubiger zusammenzurufen.
    Endlich aber kam zu allem Anderen noch hinzu, dass nun - nach einer Pause von 12 Jahren ! - auch sein Process wegen des Todschlags wieder aufgenommen ward. Acten haben wir hierüber nicht auffinden können; nur den Ausgang wissen wird aus der (schon in den Mekl. Jahrbüchern, Bd. XII, S. 113 unvollständig gedruckten) Aufzeichnung des Herzogs Adolf Friedrich in seinem Tagebuch vom Jahre 1642 :
    "Den 4. März ist Bernd Bucher, welcher für 15 Jahren einen Bauern von Stollnitze entleibet, mit dem Swerdt allhie zu Swerin auf der Bahn hinter [dem Mar-] Stall wieder enthauptet worden"
    Bernd von Blücher hinterliess zwei Söhne und drei Töchter. Der älteste Sohn zählte erst 18 Jahre; die unter den damaligen Verhältnissen sehr schwierige Gutsverwaltung verblieb als der Wittwe Dilliana. Um sich zu helfen, bat sie im Oct. 1644 um die landesherrliche Erlaubniss auf dem Renzower Felde für 100 Rthlr. Holz fällen und verkaufen zu dürfen. Sie habe, bemerkt sie dabei, vor etlichen Jahren, damit ihr Gemahl seine desolirten Güter wieder herstellen könnte, ihre besten Kleider, Laken, usw. in Lübeck verpfändet; da sie aber die Zinsen dafür seit einigen Jahren nicht habe entrichten können, so stünden die Pfänder in Gefahr verkauft zu werden. Aus eigenen Mitteln könne sie zur Einlösung nicht rathen, weil bei dem letzten Durchzuge alles Ihrige von der schwedischen Partei ganz spoliirt und geraubt sei; übrigens habe sie 4600 Gulden aus dem Gute zu fordern.
    Eben wegen dieser Forderung blieb sie noch auf Groß Renzow; der Concurs kam erst im Sommer 1654 zum Abschluss. Der Hauptgläubiger, der Domdechant Detlof von Bülow, erwarb das schöne Gut um dem geringen Preis von 9475 Gulden; und von dieser Summe erhielt die Wittwe von Blücher 3000 Gulden. Der Domdechant überliess ihr und ihrem Sohen Ulrich Hans noch aud ein Jahr um eine geringe Pachtsumme Groß Renzow. Am 18. Mai 1655 übergaben sie ihm das alte Erbgut ihrer Familie, welches nie in deren Hand zurückgekehrt ist.
     Nur das Erbbegräbniss zu Pokrent ward der Familie von Blücher später noch gerichtlich zuerkannt. Doch ist dies für Bernds Wittwe nicht in Anspruch genommen. Diese began sich mit ihren Töchtern nach dem Kloster Rühn. Dort ist sie im Herbste des nächsten Jahres (1656) gestorben und am 14. October begraben.
    Von ihren beiden Söhnen, Ulrich Hans und Bernd Christoph (dem Stammvater des Hauses Gorschendorf), wird in den §§ 56 und 61 gehandelt werden. Die drei Töchter, welche die Mutter überlebten, waren :
    1) Dilliana Armgard
    2) Marie und
    3) Sophie.
    Alle drei baten 1651 und 1652 um Aufnahme ins Kloster Rühn, damals jedoch ohne Erfolg. Als aber 1658 Herzog Christian zur Regierung gekommen war, welcher der unglücklichen Familie, und namentlich dem Rittmeister Ulrich Hans, lebhafte Theilnahme schenkte, wurden auf seinen Befehl vom 23. August 1658 die beiden Schwestern Marie und Sophie als "vater- und mutterlose" Jungfrauen "aus fürstlicher milder Gnade" unentgeltlich in das Rühner Kloster aufgenommen und ihnen aus demselben Unterhalt und Wohnung angewiesen.
    Dieser Aufenthalt war jedoch nicht von Dauer. Die Prinzessin Sophie Agnes, welche 1654 zur Domina des Klosters erwählt war, gestand ihrem Bruder Christian kein Recht auf das Kloster zu und klagte wider denselben beim Reichskammergericht. Während sie sonst als sehr gottesfürchtig und grossmüthig gerühmt wird, erwies sie sich, wohl aus dem angedeuteten Grunde, gegen die Blücherschen Töchter keineswegs mitleidig, sondern befahl ihnen vielmehr brieflich, eine ihrer beiden Wohnungen zu räumen; und da unter den obwaltenden Umständen (wenigstens noch 1662) dem Befehl nicht Folge geleistet ward, verfügte die Prinzessin, nachdem sie endlich den Besitz des Klosters erstritten hatte, 1666, dass die beiden Blücherschen Jungfrauen "zu Lichtmess" 1667 das Kloster räumen sollten; sie liess auch deren Nichte, einer Tochter des Rittmeisters Ulrich Hans, welcher der Vater eine Exspectanz erkauft hatte, die Hebungen nicht mehr reichen. Auf ein Fürschreiben der fürstlichen Räthe entgegnete sie, dass ihr geringes Einkommen kaum für die und ihre Leute ausreiche; den beiden Blücherschen Jungfrauen habe sie den Aufenthalt im Kloster gekündigt, weil sie ihre Stellen nicht erkauft hätten, der Herzog möge selbst sein Mitleid bethätigen; von des Rittmeister Tochter habe sie nichts gewusst.
    Da kaufte Ulrich Hans für sich und seine dreikränklichen Schwestern im Sommer 1667 von einem Bürger den zu Bützow auf der Freiheit belegenen, vormals Wackerbarthschen Hof, ein Haus mit einem Garten.
    An seinem Sterbebette (1670) standen wenigstens noch zwei von diesen Schwestern, vielleicht alle drei. Wenn wir im Bützowschen Kirchenbuche lesen, dass am 1. April 1682 "die Frau Blüchern" (die Rittmeisterin) "und eine alter Jungfer graben worden in der Kirche", so darf man in Letzterer
wohl eine Schwägerin der Rittmeisterin vermuthen. Ebendaselbst finden wir angemerkt, dass am 4. März 1684 "die Blücher-Junffer Armengahrt gestorben und an ein[em] anden Ohrt," - wohl im Erbbegräbniss zu Pokrent -- "begraben" sei. 1692 wird noch der "Blücher-Hof" zu Bützow erwähnt. Es liegt darum nahe, einen EInzeichnung des Bützowschen Kirchenbuches, wonach am 25. Januar 1700 zu Bützow "die von Blüchern Jumffer in der Kirche graben worden" ist, auf die letzte Schwester des Rittmeisters Ulrich Haus zu deuten.  Doch kann auch eine seiner Töchter gemeint sein.

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