Ueber Mundartengrenzen im Kreise Oels

Von Dr. phil.  Konrad Gusinde in Gleiwitz
(In : Mitteilungen der Schlesischen Gesellschaft für Volkskunde VI (1906)

    Die Mundarten, die hauptsächlich auf dem linken Oderufer gesprochen werden und im schlesischen Gebirge besonders auffällig sind -darum werden sie auch kurz Gebirgsdialekt genannt-, sind in unseren Sammlungen und in Einzeldarstellungen ziemlich gut vertreten.  Ausflüge und Sommerfrischen begünstigen die Untersuchung.  Anders steht es mit dem auf dem rechtem Oderufer, soweit es deutsch ist, vertretenen diphthongierenden Dialekt.  Treffliche Proben brachte aus Klein-Ellguth das letzte Heft (XI 79 ff.). Doch sonst ist diese Gegend wenig besucht und von ihrer Sprache wenig gesammelt. - Ich bin früher schon mehrmals in der Gegend zwischen Oels und Bernstadt herumgestreift.  Reste eines Weihnachtsspiels und andre Proben befinden sich in den Sammlungen.  Voriges Jahr gab mir das Manöver besonders an einem Ruhetage Gelegenheit, reichlicher zu beobachten und vor allem der Mundartenscheide nachzugehen.
 Auf Blatt 425 der Generalstabskarte lässt sich die Linie von SW nach NO bis um Bernstadt, von da nach NNO weiter verfolgen. Das Verhältnis gestaltet sich folgendermassen:

 diphthongierend                                Gebirgsmundart.

Katzur                                               Minken (Fürsten-Ellguth, Lampersdorf)
Schmollen, Vielguth, Gross- und        Mühlatschütz (Prietzen, Windisch-Marchwitz)
Klein Ellguth                                      Zantoch
Sadewitz, Gr.- und Kl.-Zöllnig           Postelwitz (Kraschen)
                                                         Cunzendorf (Weidenbach)
                                                         Korschlitz (Woitsdorf, Wilkau, Buchwald)
                                                         Wabnitz

Unvermittelt stehn hier, nur um wenige Kilometer getrennt, beide Mundarten nebeneinander. Und nicht weit davon geht auch die Grenze, welche im Osten das Polnische abscheidet.  Wo die Gebirgsmundart herrscht, handelt es sich um zurückerobertes, früher polnisches Sprachgebiet1).  Hier ist also nicht die Mundart der westlichen Nachbargemeinden eingedrungen, sondern die Beeinflussung kam von Süden her.  Und streng geschieden stehn bis heute beide Bezirke nebeneinander, so dass die Bewohner des einen die des andern kaum verstehn.
    Diese Darstellung bedarf gewiss noch der Ergänzung und Vervollständigung.  Ich hoffe, gelegentlich mich länger in dieser Gegend herumtreiben zu können.  Für Mitteilungen wäre ich dankbar.
    Sadewitz, Gross- und Klein-Zöllnig sind auch sonst noch merkwürdig.  Soviel ich weiss, sind diese überwiegend katholischen Dörfer eine Enklave im sonst evangelischen Gebiete.  Sie sind auch Bauerdörfer, während die Umgegend meist aus grossen Latifundien besteht, die zur Oelser Herrschaft gehören.
    Einige Sprachproben der diphthonglerenden Mundart aus Gross- und Klein-Zöllnig mögen zur Erläuterung dienen und die Proben aus Klein-Ellguth (XI 82 ff.) ergänzen.  Vielleicht erwecken sie auch die Mitarbeit des einen oder andern.  Denn zahlreiche genaue Wiedergaben der Mundart tun not.

Sommerlieder.

1. Frau Wirtin hat an langen Râuk2)         3. Ich kumme zum Summer,
    Si grefft âu gern an Eiertâup.                   Juôit mer ok a Pummer,
    Si wird sich wull bedenken,                     Doss a mich ni besst,
    Si wird mer wull eis schenken.                 Doss a mer ni uf a Summer schesst.
                                                                              (vgl. XI 82.)

 2. Ich stê ufm Staine,                             4. Summer, Summer îbersch Hôus,
    Sis mer kâlt a de Baine;                           Brengt mer ock an Prâtzel rôus;
    Gatt mer ock a Kachel,                           Ich kuâon nich lange stêin,
    Da wâr ich wâider wetter wackeln.          Ich muss wêider wetter gin.
                                                                              (vgl. XI 83.)

5. Frau Wirtin sitzt uf der Ûwebank,
    De hôt a Geldsâk â der Hand.
    Se wird sich wull bedenken,
    Se wird mer wull an Tuâuler schenken.
 

Kinderlieder

1. Schlauf, Kindel, schîre!                    4. Sûse, liebe Ninnei,
    Der Vuâuter gêit zum Biere,                 Wuâos raschelt im Strûh ?
    De Mutter gêit zum külen Wain,           De Bullerle3) sein drinne
   Se wann alle beide ni lange sein.            De huâon keine Schûh.
    Se kumm schun hingerm Zaune             Der Schuster huâut Lâder,
    Und pflucken am Kindel arm Flaume    Kinn Leisten darzu,
2. Schlauf, Kindel, lange!                         Da missen de Bullerle
    Der Tôut sitzt uff der Stange                 Barbest gêin sû.
    A huâut an wêissen Kitte uâo         5.   Schlauf, Kindel, schlauf!
    A will de bêise Kinder mêite huâon.     Da Vuäuter schlacht a Scha
3. Schlauf, Kindel, feste!                          A triät das Fâl uf Brassel,
    Es kummen fremde Gäste,                    A brengt am Kind a Masser,
    Die Gäste di de kummen rein,               A triät das Fâl uff Pummerland,
    Das sind di lieben Engelein.                  A brengt am Kind a Wiegeband
6. Schlauf, Kindel, schlauf!
    Der Vuâuter is a Schauf,
    De Mutter is a Tûseltier,
    Wos kannst du armes Kind dafür?
    Schlauf, Kindel, schlauf!

Aberglauben

Mêne Hinder liäin ni, und do huâu ich anne Muâid und die suâite: "Frau, ich war ze ann Sâk sacken und do truâoi ich se hing nôus un do gêich uff Nuckwersch Granze und do driä ich mich drê mol mit a Hindern und ich bât a Vaterunser und dernau schlepp ich se der Kreuze und der Quâre4) und do kumm ich wêider heim und ich luss se rôus und da wann se schu liäin".

Fußnoten :

1) Vgl.  Partsch, Schlesien I, Karte bei S. 364.
2) Das ^ bezeichnet denjenigen Bestandteil zusammengesetzter, Selbstlauter, auf dem der
    Hauptton liegt.  Dieser Laut ist zwar länger als die vor- oder nachklingenden Bestandteile
    des Diphthongen, erreicht aber nicht ganz die Dauer eines langen einfachen Vokals.
3) die jungen Gänse
4) in Kreuzesform

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