3) Die Leute, ihre Sprache und ihre Namen Geschichte

    Der Schönwälder ist ein deutscher Bauer, also ist er auch dickköpfig und mißtrauisch.  Die Gleiwitzer Notare haben an ihm einen guten, aber unbequemen Kunden, und der Gleiwitzer Grundbuchrichter hört den Namen "Schönwald" nur mit gelindem Entsetzen.  Doch muß man jenem Dickkopf die größte Hochachtung entgegenbringen. Er allein hat es aus eigener Kraft zuwege gebracht, daß Schönwald, und zwar als einziger von allen ursprünglich deutsch angelegten Orten der Umgegend, trotz aller Anfechtungen bis heute sich sein deutsches Wesen und seine deutsche Art erhalten hat.  Wenn man bedenkt, wieviel deutsche Bauern allenthalben von fremden Völkern aufgesogen worden sind, da wird man diesem vereinzelten deutschen Dorfe gegenüber, das über 600 Jahre lang sich wacker gehalten hat, mit staunender Bewunderung erfüllt.
    Fremden gegenüber redet der Schönwälder schriftdeutsch. Nur äußerst schwer ist er zu bewegen, seine Mundart zu sprechen, die er zu Hause beständig anwendet.  Der dumme Spott einfältiger und halbgebildeter "Städter" über die ihnen unverständliche Mundart hat das zuwege gebracht.  Als ob nicht jede Mundart dem, der sie nicht kennt, unverständlich wäre!
    Das Schönwäldische hat all die besonderen Merkmale, die der großen Gruppe der schlesischen Mundarten gemeinsam sind.  Es läßt sich nicht mit einer bestimmten Einzelmundart zusammenstellen, sondern hat manche Eigentüinlichkeiten mit den Mundarten des schlesischen Gebirges, der Lausitz oder Nordböhmens, andere mit denen Österreichschlesiens oder der Grafschaft Glatz, wieder andere mit denen der schlesischen Niederung gemeinsam.  Wichtig ist auch die große Verwandtschaft des Schönwäldischen mit der Mundart des Kuhländchens im nördlichen Mähren und mit der der Zips, so daß es geradezu die Verbindung mit diesen am weitesten gewanderten schlesischen Siedlern herstellt.
    Seit der Gründung Schönwalds hat sich die Sprache seiner Bewohner in ihrer Abgeschlossenheit weiter entwickelt; trotzdem fällt dem Kundigen ihr schlesischer Charakter sofort auf. Im Laufe der Zeit ist freilich manch polnisches Wort eingedrungen.  Polnische Händler, Feldarbeiter und Einwanderer schleppten manches fremde Wort ein.  Besonders für die Beziehungen des Familienlebens, für Erzeugnisse des Feld- und Gartenbaus, für Geräte und Nahrungsmittel, als Tier-, Kose- und Schimpfnamen finden sich polnische Wörter.  Umgekehrt hat man in Schönwald noch für mehrere Orte der Umgegend die alten deutschen Namen festgehalten, während heute sogar die amtliche Schreibung längst die fremde Form aufgenommen hat. So heißt Knurow, das im 15. und 16. Jahrhundert Knauersdorf hieß, noch heute schönw. knausdrof; Ostroppa, das 1534 Stroppendorf genannt wird, heißt schtrepedrof, Zabrze, das 1300 Sadbre sive Cunczindorf heißt, trägt in Schönwald den Namen konsdrof. Auch Richtersdorf hat noch den älteren Namen Vogtsdorf, schönw. futsdrof.
    Der Wortschatz des Schönwäldischen hat ein ausgesprochen ostmitteldeutsches Gepräge, und es gibt darin kaum ein deutsches Wort, das sich nicht in anderen schlesischen Mundarten wiederfände.  Was für die Herkunft der Schlesier im allgemeinen gilt, das gilt auch für die Schönwälder.  In der Hauptsache waren es Osthüringer, vermischt mit Ostfranken, die den Hauptkern der deutschen Siedler bildeten.  Aus der Mischung ihrer Sprache erwuchs das Schlesische als eine selbständige Mundart; und weil mit ihr das Schönwäldische so eng zusammengehört, so ist es äußerst wahrscheinlich, daß die Besiedler unseres Dorfes nicht unmittelbar ans dem Stammlande kamen, sondern schon eine Zeitlang im schlesichen Kolonisationsgebiete ansässig waren, ehe sie sich eine neue Heimat im oberschlesischen Walde suchten.
    Schönwälder sind als Katholiken eingewandert, und sie sind es ausnahmslos geblieben.  Die Abgeschlossenheit von ihren Stammesgenossen, der Glaube der umwohnenden Polen und vor allem die Herrschaft des Klosters erklären es hinreichend, daß die Reformationsbeweguiig bei ihnen keinen Widerhall erweckte.
    Mißtrauisch sonderten sich die Bewohner Schönwalds von der Umgebung ab.  Infolgedessen heirateten sie fast nur innerhalb des Dorfes.  Das ist auch heute noch die Regel.  Das ganze Dorf ist
miteinander verwandt, und Verwandtenheiraten, zu denen die Erlaubnis des bischöflichen Amtes nötig ist, waren nichts Seltenes und sind es auch heute nicht. - Wenn Schönwälder nach polnischen Orten auswanderten und polnische Frauen nahmen, da ereilte sie das übliche Schicksal.  Schon das nächste Geschlecht wurde gewöhnlich polnisch.  Nahmen sie aber die Frau aus dem Heimatsdorfe mit, dann blieben sie deutsch, vor allem, wenn sie an der nahen Stadt Gleiwitz und am Heimatsdorfe einen Rückhalt hatten, oder wenn sie sich in größerer Zahl zusammenfanden.  So sind sie heute besonders in Richtersdorf und in Peiskretscham die Hauptstützen deutschen Wesens.
    Es ist auffällig, daß die starke Inzucht nicht zu größerer Entartung geführt hat.  Es gibt wohl einige Taubstumme und Schwachsinnige; im übrigen sind aber die Schönwälder ein gesunder, kräftiger Menschenschlag geistig rege und arbeitsam.  Die meisten Männer dienen im Heere und sind stolz darauf.  Die Kinder müssen früh in der Wirtschaft helfen, den kleinsten werden die Gänse anvertraut, den größeren die Kühe.  Das Reich des Bauern und der herangewachsenen Söhne ist das Feld, das der Frau und der Töchter die Viehwirtschaft.  Seit jeher versorgen sie den Gleiwitzer Markt mit Eiern, Butter und Quark.  Da sitzen sie an Markttagen in langen Reihen nebeneinander, von weitem schon kenntlich an ihrer Tracht.  Gemüse wird dagegen so gut wie gar nicht gebaut.
    Die Namen der Schönwälder haben heute überwiegend polnisches Gepräge.  Das ist zunächst auffallend.  Doch früher war es anders.  Das Urbar von 1534 enthält in der Mehrzahl deutsche Bauernnamen.  Auch die seit 1650 erhaltenen Kirchenbücher weisen noch eine Reihe deutscher Namen auf .  Viele sind jetzt ausgestorben.  Man muß weiter bedenken, daß die Bewohner bei ihrer Einwanderung noch keine festen Namen mitbrachten.  Mögen sie sich auch in der Regel deutsche Namen beigelegt haben, so wird die polnische Verwaltung im Raudener Kloster doch nicht ganz ohne Einfluß auf die Namengebung gewesen sein.  Obendrein waren die erst 1784 aufgeteilten Stiftsvorwerke in Schönwald mit polnischem Gesinde besetzt.  Dazu kam der Zuzug ans der polnischen Umgebung.  Mag die nationale Aufsaugungskraft der Schönwälder bis zum heutigen Tage beneidenswert groß sein, so daß zugezogene Polen, wenn sie auf den Verkehr mit den Bewohnern angewiesen sind, in wenigen Jahren Schönwaldisch reden, da kaum jemand mit ihnen polnisch sprechen mag: die eingeschleppten polnischen Namen blieben trotzdem und wurden nur mundgerecht zugestutzt.  Da man meist innerhalb des Dorfes heiratete, entstand eine verwirrende Fülle von gleichen Zunamen.  Es wurden also Unterscheidungen für die Träger gleichlautender Namen notwendig.  Die Vornamen genügten auch nicht, weil auch bei ihnen wenig Abwechslung herrschte.  So half denn der Brauch, die Leute nicht mit dem Familiennamen, sondern mit dem Hofnamen zu benennen, der mit dem Hofe auf jeden neuen Besitzer überging und noch heute überzugehn pflegt.  Baut sich aber jemand einen neuen Hof, so wird nach dessen Lage oder nach dem Wesen des Besitzers ein neuer, oft scherzhafter oder spöttischer Name geprägt.  Das führt soweit, daß man mitunter nach dem Familiennamen umsonst fragt, während der Beiname allgemein bekannt ist.  Solche Unterscheidungen waren schon früh zum Bedürfnis geworden, und in den alten Kirchenbüchern wie später in den Kaufbüchern sind sehr oft die Hofnamen neben den Familienamen angegeben.
    Große Erfindungsgabe und viel Humor verraten die Beinamen. Ein Simon hatte bei einem Marterl (muote),  d. h. bei einer Kreuzigungsgruppe, gebaut und hieß seitdem muotetsema.  Dieser Name taucht schon 1651 auf und gilt heute auch noch für die Wirtschaft.  Ein Goldmann bei der Kirche heißt Turmwächter. Als Franz Polif ke am Ende des Dorfes baute, war auch der Name dufguker fertig.  Einer, dessen Fenster nach Osten gehn, heißt rnug'aglensterr, ein Andreas Marek hat schon 1802 den noch heute geltenden Beinamen mug'atur.  Ein Gillner hatte sein Haus hinter einem anderen gebaut und hieß darum dupaguker (dupa = Hintern). Aber er war schlau und setzte an seinen Zaun ein Kreuz.  Seitdem heißt er der Kreuzbauer. Ein Goletz und ein Pascher bauten jeder an einer Pfütze und heißen nun der eine griuwapoltsch, der andere griuwaschenk (Grubenschenk).  Der Tischler Sobota im Niederdorfe wohnt am Rande des früheren Teichufers (iumer).  Daher heißt die Familie iumesch. Im Kleefelde hat der klehona (Kleehannes) gebaut, im freien Felde im Niederdorfe der Feldbauer.  Hinter ihm ist jetzt der fautoma, der aus einer Wirtschaft am alten Teichdamme herstammt (faut = Feld, tom = Damm).  Ein Cimander, der als Jüngerer bei der Erbteilung ein neues Haus baut, heißt danach naihauser.  Auf der alten Bleiche sitzen die blechesch, auf dem alten Klostervorwerke, der Kolonie, die kolnis, an der Stelle des früheren Dominialspeicheirs im Oberdorfe die schpichesch.. Die Liste der Haus- und Spitznamen, die allgemein statt der Familiennamen gelten, ließe sich noch seitenlang fortsetzen.  Auch unter den in Anm. 33 angeführten alten Eigennamen ist eine ganze Reihe auf dieselbe Art aus unterscheidenden, von der Gestalt oder der Beschäftigung hergenommenen Benennungen entstanden.

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