Kietz - Driesen (1514-1894)                      zurück zur Driesen-Seite
(Abschrift des Artikels von R. Schütt)

    Die hiesige Kietzer Straße erinnert durch ihren Namen an das frühere, in unmittelbarer Nähe Driesens gelegenen Kietz; ursprünglich wendisch, was Kietz einst ein zum Kurfürstlich Brandenburgischen Amte Driesen gehöriges Fischerdörfchen. (Das Gemeidestiegel zeigt daher zwei Fische).

    Urkundlich wird Kietz 1514 zum ersten Male erwähnt : Die Kietzer Fischer mußten nämlich jährlich Martini dem Amte je eine Mandel Hechte liefern; diese Naturallieferung wandelte Kurfürst Joachim I. (1499-1535) in eine Geldabgabe von einem halben Gulden um.
    Die Kietzer durften nach einem Kurfürstlichen Erlasse von 1653 die Netze etwa von Altbeelitz bis Altgutkowschbruch befischen, mußten sich aber "der Beiwasser bei Strafe enthalten".
    Nach dem dreißigjährigen Kriege (1618-1648) waren von zwanzig Baustellen nur zehn bebaut; deshalb erhielten die sich neu Aufbauenden außer freiem Bauholz und "anderer guter Hilfe" dreijährige Freiheit von Diensten und Abgaben, mußten aber - wie die zehn - wöchentlich von Ostern bis Michaelis dem Amte wieder ein Gericht Fische liefern.
    Die Kietzer Fischer haben einen steten Kampf ums Dasein führen müssen : 1664 , 1672 , 1682 , 1688 und 1696 mußten sie sich bei der Neumärkischen Amtskammer zu Küstrin wegen unbefugten Fischens der Driesener Soldaten und Bürger beschweren; die Kammer versprach eine Untersuchung durch den Festungskommandanten und Amtshauptmann.
    1771 baten sie von Brenkenhoff (geb. 1723, gest. 1780) dafür sorgen zu wollen , "daß sie die Fischerei frei und ungehindert betreiben könnten, daß die Altbeelitzer Bauern sie nicht pfänden und ihnen die Fische nahmen dürften und daß sie ihnen die genommenen Fische bezahlen müßten".
    Die Kietzer Fischer mußten dem Amte tägliche Dienste leisten; nach einer Urkunde von 1651 z.B. Briefe nach den umliegenden Orten tragen, die Brunnen des Amtes und der Festung reinigen, den Holz fahrenden Knechten Essen, deren Pferde oder Ochsen Futter nach der " Bindung " (dem heutigen Salzkossäthen) fahren, das dortige Klappholz aufräumen, Flachs und Hanf in die Röte hinein und her aus bringen, den Beamten fischen und jagen helfen, für sie zu Wasser nach Landsberg oder Küstrin fahren, Küchenholz hauen, Bauholz von der Polnischen Brücke zur Bindung flößen usw.
    Deshalb baten sie den Großen Kurfürsten um Erleichterung der Dienste; dieser bestimmte, daß sie künftig nur an zwei Tagen wöchentlich, und zwar von Sonnenauf- bis Untergang zu dienen, Heu und Getreide des zum Amte gehörenden Bergvorwerks (Schönebergs) einernten zu helfen, die dortigen Schafe zu scheren und Wälle und Gräben der Festung Driesen von Gras und Rohr reinzuhalten hätten. "Sollte die gnädigste Herrschaft sich an dieser geringen Forderung nicht genügen lassen, so müßten sie noch mehr dienen, da es kein Gesetz für Grenze ihrer Dienste gäbe."
    Im selben Jahr beschwerten sie sich abermals beim Kurfürsten daß sie Briefe statt eine, vier bis fünf Meilen weit austragen müßten; der Kurfürst befahl der Kammer, den Kietzer Fischern keine neuen und ungewöhnlichen Dienste vom Amte auflegen zu lassen.
    1662 brannte Kietz fast ganz ab; infolgedessen brauchten die Kietzer sechs Jahre lang dem Amte nicht zu dienen.
    1667 sollten die Wirte je vier Pfunde Werg zu Lunten für die Festung liefern; da sie kein Land besaßen, um darauf "Spinnwerk" beuen zu können, wurden sie von der Werglieferung wieder befreit.
    1695 beschwerten sie sich erneut bei der Kammer, daß sie auch Wildbret anstatt eine, drei Meilen weit austragen müßten; die Kammer entschied, "Bittsteller nicht über Vermögen und wider Herkommen" mit Dienste zu beschweren, vielmehr das Wildbret bei mehr als eine Meile Wegs ausfahren zu lassen.
    1709 beschwerten sie sich nochmals wegen besonders harter Dienste beim Bau der "Neuen Mühle"; die Kammer wies das Amt abermals an "Beschwerdefürer nicht wider Herkommen" zu belasten.
    1761 baten sie die Kammer um dauernde Erlassung ihrer Dienste, wurden aber mit der Begründung abgewiesen , daß sie dafür Korngelder erhielten.
    Vergebens versprach ihnen von Brenkenhoff 1765 im Juni : "Wegen der Erlassung der Dienste werde ich zur rechten Zeit zu sorgen wissen, daß ihr davon loskommen sollt " und im November : "Was die Dienste anbetrifft , so müßt ihr dieserhalb euch nur noch etwas gedulden, wenn es möglich ist will ich suchen, euch ganz und gar von den Diensten loszumachen". Er starb darüber (1780).
    Noch 1798 lehnte König Friedrich Wilhelm III. die Bitte der Kietzer Fischer um Befreiung von den Diensten ab, weil jene Dienste zur Bewirtschaftung des Amtes unumgänglich notwendig seien.
    Erst 1811, als der Staat das Amt verkaufte, hörten die dreihundert Jahre währenden schweren Dienste der Kietzer auf. -
    Sonst sei aus der Geschichte des Driesener Kietzes kurz folgendes erwähnt :
    Bis zum Jahre 1660 wohnte der Driesener Scharfrichter vor der Polnischen Brücke; die Witwe des damaligen Scharfrichters beschwerte sich jedoch, daß sie unter den gefährlichen Leuten auf der polnischen Seite nicht länger wohnen könne; deshalb gab ihr die Stadt am Ende des Kietzes ein wüstes Gut. Aus dem Nachlaß des 1847 dort verstorbenen letzten Driesener Scharfrichters - die
letzte Hinrichtung fand 1812 statt - stammen zwei im Märkischen Museum zu Berlin befindliche Richtschwerter (um 1620 und von 1750). Ersteres zeigt folgende Inschrift : "Dis Schwerdt ist angewetzt und Ich dazu gesetzt von gott und obrigkeit, zu Straffen Bosse Leut. Drum thut Bey zeitten buß und Fallet gott zu Fuß, Sonst Ihr mit diesem Schwert werd gerichtet von der Erd."
    Die Kietzer Fischer durften sich früher töglich freies Brennholt, seit 1746 aber nur Dienstags und Freitags das vom Amtsförster angewiesene Holz aus Militzwinkel holen.
    1775 ließ Friedrich der Große an sie Brotgetreide - den Scheffel zu zwei Groschen - verteilen.
    1814 bauten sich die Kietzer und Driesener eine zweite Brücke über die Alte Netze, um mit dem Heu nicht mehr den Umweg über die Polnische nehmen zu müssen, die Kietzer bauten zwei Drittel an den Wiesen , die Driesener ein Drittel an der sogenannten Blänke; die rieue Brücke hieß "Kietzerbrücke".
    Beim Brande 1819 blieben nur fünf Häuser stehen.
    1831 starben von 431 Einwohner 21 an der Cholera.
    1845 entdeckte der Postsekrtär a.D. Karl Ludwig Hencke (geb. 1793, gest. 1866) auf seiner heute noch erhaltenen Sternwarte (früher Kietz, Nr. 9, heute Kietzerstraße, Nr. 43), zwischen den Planeten Mars und Jupiter den Planetoiden Asträa und 1857 Hebe.
    Kirchlich gehörte Kietz zu Driesen. Kietzer Pastoren waren folgenende Driesener Hilfsgeistliche :

    Martins                      1671-1715
    Frühstedt                   1715-1724
    Muthmann                 1724-1739
    Stahn                        1740-1749
    Philipp Gensichen      1749-1776 (sein Bild, in Oel Gemalt, hängt neben dem anderer früherer
                                                      Driesener Pfarrer im mTurmflur der hiesigen ev. Kirche)
    Schäffer                   1776-1802
    Friedrich Genisichen 1803-1840 (eine Neffe Philip Gensichens, sein Bild hängt auch i.d. Kirche)
    Hermann Genischen 1840-1865 (ein Sohn Friedrich Gensichens)
    Aeplinius                  1865-1871
    Krüger                     1871-1873
    Fliehn                       1873-1877
    Reiche                      1878-1879
    Schmidt                    1882
    Heyse                      1883-1885
    Kritzinger                 1885-1886
    Reichert                   1886-1888
    Beckmann               1889-1894

    Auch die Schulkinder waren bis 1835 in Driesen eingeschult; von 1835-1894 besaß Kietz eine eigene Schule, in diesen 59 Jahren amtierten hier fünf Lehrer : 1. Boschan, 1835-1846; 2. Genschmer (Privatlehrer des Dichters und Schriftstellers Otto Franz Gensichen), 1846-1849;
3. Knuth (ein geborener Kietzer), 1859-1864; 4. Eichberg, 1864-1884 und 5. Röschel 1884-1894.
    Zum Schulgrundstücke (damals Kietz Nr. 12, heute Kietzerstraße Nr. 32) gehörte noch als alte Gerechtsame das Fischen auf der Netze.
    Vor fünfundzwanzig Jahren aber wurde der Kietz mit 430 Einwohnern und 36 bebauten Grundstücken in Driesen eingemeindet; er hörte damit auf, ein selbständiges Dorf zu sein.

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