§3 Herkunft der Hahn

    Die sogenannte Sage erzählt, zu den Zeiten der Kreuzzüge gegen die Wenden habe der Herzog Heinrich der Löwe unter den deutschen Rittern auch einen Ritter Rotenhan aus dem fränkischen Kreise mit nach Mecklenburg gebracht, welcher sieh auf der Knipenburg an dem Ausflusse der Peene aus den Malchiner See angesiedelt habe und der Stammvater des Geschlechts der Hahn geworden sei. Wäre diese Erzählung eine Sage, so möchte sie den Anschein einer alten Ueberlieferung für sich haben; da sie aber in allen Theilen offenbar das Gepräge einer falsch angewandten Gelehrsamkeit hat, so ist. ihr Ursprung aus einer Gelehrtenstube des letztvergangenen Jahrhunderts ohne Zweifel.  Die älteren Forscher hatten den unglücklichen Hang, die adelichen Geschlechter Mecklenburgs, wie das Fürstenhaus, entweder bis auf die Anfänge der europäischen Geschichte zurückzuführen, oder sie auch mit alten deutschen Geschlechtern in Verbindung zu setzen, obgleich sie des letzeren zur Verherrlichung gar nicht bedürfen und das erstere natürlich in jedem Falle scheitern muss.  Die ganze Erzählung, von der Verwandtschaft der Hahn mit den Rotenhan beruht allein auf der irrigen Voraussetzung, dass alle adelichen Geschlechter Mecklenburgs von deutschen Geschlechtern aus der Zeit der Kreuzzüge Heinrichs des Löwen herstammen sind auf der scheinbaren Uebereinstimmung des Namens Rotenhan mit dem wappen der Hahn, welche einen rothen Hahn im Schilde und auf dem Helme führen. Die Herleitung der Hahn von den Rotenhan entbehrt im Gegenteil jeglichen Grundes. Die Rotenhan führen einen rothen rechten Schrägbalken im weissen Schilde, mit einem rothen Stern im linken obern Schildeswinkel, un einen rothen Hahn auf dem Helme. Dieser Hahn auf dem Helme und der Name Rotenhan sind die einzigen Fingerzeige auf die Möglichkeit einer Verwandtschaft zwischen beiden Geschlechtern. Gegen die Verwandtschaft spricht aber nicht allein die Verschiedenheit des Namens und des Schildes, dessen Gleichheit allein eine Bürgschaft für Stammesverwandtschaft ist, sonder auch die Geschichte des Ursprunges und der Stammväter beider Geschlechter.
    Die von Rotenhan, welche am Ende des vorigen Jahrhunderts in einer Linie den gräflichen Titel erwarben, haben ihren Namen von dem Stammschlosse Rotenhan oder Rotenhayn bei Ebern im Bisthum Würzburg und stehen also auch dem Namen nach in keiner Beziehung zu den Hahn. eine Herstammung der Hahn von den von Rotenhan ist das dem Grunde auch nicht gut möglich, weil das von Rotenhansche Geschlecht nicht älter ist, als das Hahnsche. Sicheren urkundlichen Forschungen zufolge ist im J. 1229 Winther, Schenk von Rothenhayn der Stammvater des Geschlechts, von welchem herab auch eine zusammenhängende Folge der von Rotenhan gegeben werden kann. Das Stammschloss Rotenhan ward im J. 1324 zerstört. Nach dieser Zeit theilte sich die Familie in die Linie Rentweinsdorf, Eringshof und Merzbach, deren letztere die gräfliche Würde erwarb.
    So wenig in den von Rotenhanschen Familien-Archiven zu Rentweinsdörf und Merzbach, welche bis zum J. 1324 zurückgehen, als in öffentlichen Archiven findet sich eine Spur von einer verwandtschaftlichen Beziehung zwischen den von Rotenhan und den Hahn; auch ist in der von Rotenhanschen Familie keine Tradition von der Abtheilung eines Astes unter dem Namen Hahn vorhanden.  Da auch die von Rotenhan einen rechten Schrägebalken im Schilde fuhren, so scheint der Hahn auf dem Helme der von Rotenhani jüngern Ursprunges, als der Schild, und aus einer Anspielung auf den falsch verstandenen Namen, Hahn, statt Hain, entstanden zu sein.
    Die Hahn erscheinen zuerst im J. 1230 [IV], zu einer Zeit, als sich bei weitem die meisten adelichen Geschlechter Meklenburgs aus alten Dynastengeschlechtern bilden. Vor dieser Zeit, also ein halbes Jahrhundert nach dem Abtreten Heinrichs des Löwen kommt weder ein Hahn, noch ein Rotenhan in der Geschichte Meklenbtirgs vor.  Die Hahn würden sich aber zu jener Zeit schon Rotenhan genannt und das Rotenhansche Wappen angenommen haben, wenn sie von diesen entsprossen wären.  Der deutsche Name Hahn giebt keinen Beweis für die deutsche Herkunft des Geschlechts; denn theils giebt es in mehrere andere alte meklenburgische Familien mit deutschen Namen, wie die Voss, Behr, Raven, theils liefert das Geschlecht der Hahn selbst den Beweis, dass ein Zweig einer Familie einen deutschen Namen, ein anderer Zweig einen Namen von einem meklenburgischen Ritterlehn wendischen Ursprungs führen kann, denn die Hahn und von Dechow, so wie die von Bibow und Hardenack waren ohne Zweifel Eines Stammes, wie weiter unten nachgewiesen werden soll. Woher diese deutschen Namen und die denselben entprechenden Wappenschilde ihren Ursprung haben, ist jetzt nicht mehr zu ergründen.
    So viel steht aber fest, dass das ritterliche Geschlecht der Hahn sich zu einer Zeit, seit 1230, in der neuen Gestalt bildet, in welcher die übrigen ritterlichen Geschlechter Mecklenburgs entstehen, und die Herkunft desselben von dem alten wendischen Adel nach dem Vorgetragenen alle Vermuthung für sich hat.
    Die Sage, dass die Knipenburg die Stammburg der Hahn sei, entbehrt ebenfalls alles Grundes. die Stammväter des geschlechts erscheinen zuerst im Lande Gadebusch und im Bisthume Ratzeburg und ziehen erst gegen Ende des 13. Jahrhunderts gegen Osten in das Land Werle. Es existirte jedoch auf der jetzt zu Basedow gelegten Feldmark des untergegangenen Dorfes Wargentin am Malchiner oder Wargentin See an der Pene ein alter Burgwall, welcher den Namen Knipenburg führte. Nach dem Theilungsvertrage zwischen den Linie Basedow und Wargentin vom 4. Juli (1405) lag der Burgwall der Knipenburg wüst und sollte mit einer Bauerwohnung besetzt werden. Im J. 1365 existierte im Dorfe Glasewitz eine Bauerfamilie Knypenborch. Diese Gründe scheinen zwar für ein hohes Alter des Burgwalls zur reden, geben jedoch keine Veranlassung zu einer Verbindung mit der Geschichte des Geschlechts Hahn, da dieses erst im Anfange des 14. Jahrhunderts in den Besitz der basedowschen Güter kam und das Dorf Wargentin, auf dessen Feldmark die Burg lag, ein Besitzthum des Klosters Arendsee in der Altmark war.

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