§12  - Nicolaus I.

        "Memoria ipsius non deerit, debet merito nec deesse" "Sein
Andenken wird nicht untergehen, und soll mit Recht nicht untergehen." Diese, seltenen, prophetischen Worte sprachen einst trauernde Landesherren am Sarge ihres Vaters, des hochverdienten Fürsten Nicolaus I. von Werle [XXXII], über den Ritter Nicolaus Hahn, als sie im schmerzlichen Andenken an die Verdienste ihres Vorfahren sich der weisen Kraft seines wackern Rathes ergaben.  Ist auch das Fürstenhaus längst erloschen, so ist doch seines Stammvaters Segen an dem hahnschen Geschlechte lebendig und in dem Glücke des Hauses wahr geworden, welches Nicolaus Hahn befestigte, ein Held des Friedens, stark und erfahren, treu und fromm, der das Land in vielen trüben Wechselfällen klug regierte.
        Die vier Söhne Heinrich Borwins theilten das Land ihrer Väter in vier Theile.  Der zweite von ihnen, Nicolaus, erhielt beim Antritt seiner Volljährigkeit im J. 1231 den grössern, südöstlichen Theil des Landes, welcher nach der alten Fürstenburg, vor welcher der
Stammvater Niclot den Heldentod gefunden hatte, den Namen Werle empfing.  Nicolaus übernahm für seinen dritten Bruder Borwin bis zu dessen Volljährigkeit zugleich auch die Regierung des Landes Rostock; beide Brüder trennten sich im J. 1234. Im J. 1237 waren alle vier fürstlichen Brüder volljährig und selbstständige Landesherren geworden.
       Nicolaus von Werle hatte seine Residenz in der von seinem Vater gegründeten Stadt Güstrow erwählt, welche fortan die Hauptstadt des Landes Werle oder Wenden blieb. Hier regierte er zuerst in seinen jüngeren Jahren unter dem Beistande seiner Vormünder, welche in Güstrow ihre Vormundschaft verwaltet hatten, und anderer Räthe aus den alten edlen Geschlechtern des Landes. So wie aber die Bildung unter der thätigen Regierung des jungen Fürsten sich hob, Land urbar gemacht ward, und der Grundbesitz mehr zur Vertheilung kam, zogen jüngere Ritter aus dem stärker bevölkerten und früher cultivirten nordwestlichen Landestheile Meklenburg in die östlichen Länder Rostock und Werle, namentlich in das Land Werle, und es lässt sich eine allmählige Wanderung der meklenburgischen Ritterschaft gen Osten, bis nach Pommern hinein nicht verkennen; so kamen z.B. die Maltzan, Hahn, Ketelhot, schon früh in das Land Werle. Das Land Werle aber ward die Quelle einer mächtigen und kräftigen Ritterschaft.
       Nicolaus Hahn war bei seines Vaters Eckhard frühem Tode wahrscheinlich minderjährig, da in zwanzig Jahren nach dem Abtreten des Stammvaters des Geschlechts, von 1245-1266, kein Hahn in der Geschichte vorkommt und Nicolaus bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts lebte. Es steht zu vermuthen, dass der Fürst Nicolaus von Werle dem Knaben bei der Taufe seien Namen gegeben habe, da der Name Nicolaus
ein Lieblingsname in der hahnschen Familie ward und Nicolaus Hahn vertrauter Liebling des Fürsten bis an dessen Lebensende blieb. Der Fürst Johann I. von Meklenburg starb im J. 1264.  Nach diesem Ereignisse wandte sich Nicolaus Hahn aus der Heimath seiner Väter im Bisthume Ratzeburg zu dem ihm wohlgeneigten Fürsten Nicolaus von Werle, zu der Zeit dem kräftigsten Fürsten, der auch seinem Vater gewogen gewesen war. Am 14. April 1266 tritt Nicolaus Hahn zuerst im Gefolge des Fürsten Nicolaus als jüngerer Ritter auf, als dieser mit seinen beiden jungen Söhnen Heinrich und Johann zu Wismar die Privilegien der Stadt Wismar für den Fall der Succession anerkannte [XVI]. Der junge Fürst Heinrich von Meklenburg, später der Pilger genannt, hatte damals so eben die Alleinherrschaft des Landes Meklenburg angetreten und seine Residenz nach Wismar verlegt. Mit den beiden jungen Fürstensöhnen von Werle stand Nicolaus Hahn wohl in gleichem Alter und engerer Verbindung.
        Die nächsten Jahre verflossen in Ruhe und Frieden; der Fürst Nicolaus von Werle beschäftigte sich mit der Gründung und Einrichtung der Städte, seines Landes und andern Werken des Friedens; geschichtliche Nachrichten aus diesen Jahren sind selten, und Nicolaus Hahn wird nicht genannt. Bald aber wird die Zeit bewegter. Heinrich von Meklenburg pilgerte nach dem gelobten Lande, Borwin von Rostock war erblindet und regierte mit seinem schwachen Sohne Waldemar, Pribislav von Parchim-Richenberg hatte sein Land den Grafen von Schwerin abgetreten und sich nach Pommern zurückgezogen.  So waren die Fürsten von Werle lange Zeit hindurch der Schirm des gesammten Vaterlandes, den Nicolaus Hahn auf das kräftigste stützte. Zuerst erscheint Nicolaus Hahn wieder in öffentlichen Angelegenheiten wirkend, als der Fürst Nicolaus nach der Abreise Heinrichs des Pilgers am 1. August 1272 die Gerechtsame des Nonnenklosters Neukloster bestätigte [XVII].
       Gleich drauf vertraute der Fürst ihm seine Residenz Güstrow an, indem er ihn zum Vogt oder Hauptmann von Güstrow erhob; Nicolaus Hahn bekleidete diese Würde sicher vom 17. Dec. 1272 bis zum 18. Juli 1278 [XVIII bis XXXVIII], während sehr schwieriger Zeiten. Zuerst half er seinen Herrn in der Besitznahme des Landes Parchim [XIX], welches im J. 1272 oder 1273 an die Fürsten von Werle überging, und war demnächst bei den Verhandlungen hülfreich, durch welche der Fürst die Gerechtsame der Städte Teterow [XVIII] und Plau [XXII] und der Klöster Dargun [XX und XXXI], Doberan [XXIV und XXV], Döbbertin [XXVII] und zum Heil. Kreuz in Rostock [XXVI, XXX, XXXVIII], so wie der Johanniter-Comthurei Mirow [XXI] und des Dom-Collegiatstiftes Güstrow [XXIII und XXVIII] erweiterte. Vorzüglich aber war es das Dom-Collegiatstift zu Güstrow, welches die Fürsten und Edlen des Landes Werle mit besondere Liebe pflegten [LXXIII] und vor allen wird Nicolaus Hahn als Beschützer der Stiftung anerkannt, indem er wiederholt Beförderer bedeutender Verbesserungen gepriesen wird [XXVIII und LXXVIII].
       Die Zeiten wurden im hohen Grade schwierig. Heinrich der Pilger war in Aegypten in Gefangenschaft gerathen und im Lande Meklenburg entspann sich Streit über die Vormundschaft seiner Kinder, da man an der Rückkehr des Fürsten zu zweifeln anfing. Da traten am 10. April 1273 in Plau der greise, blinde, erfahrene und milde Graf Gunzelin von Schwerin, sein Sohn Helmold und der Fürst Waldemar von Rostock zu einer Berathung mit dem Fürsten Nikolaus von Werle und dessen Söhnen zusammen [XX], und am 4. Oct. desselben Jahres verhandelten in Schwerin dieselben Fürsten mit dem Fürsten Johann von Meklenburg-Gadebusch [XXIV]; Nicolaus Hahn nahm an den Wichtigen Verhandlungen zum Besten des Landes thätigen Antheil. Die Söhne des Fürsten Nicolaus von Werle, Heinrich und Johann, wollten nach dem Willen Heinrichs von Meklenburg die Vormundschaft übernehmen, aber die Brüder des Pilgers kämpften dagegen, namentlich der Fürst Johann, welcher zu den Waffen griff. Der Graf Gunzelin starb während der Zeit im Jahre 1274. Als der Zwist wuchs, erschien der würdige Nicolaus von Werle selbst in Wismar und vermittelte mit entschiedenem persönlichem Uebergewicht, unter Beistimmung des Fürsten von Rostock und des Grafen von Schwerin, hier im J. 1275 die Einsetzung eines Regentschaftsrathes unter der Oberleitung des Fürsten Johann von Meklenburg-Gadebusch.
       Leider musste der Fürsz es noch erleben, dass die eroberungssüchtigen Markgrafen von Brandenburg durch Ueberfälle in die Grenzländer seine letzten Tage, wie sein ganzes Leben trübten. Bald jedoch, am 7. Mai 1277, schied er zu Plau aus dieser Welt nach einer fünfzigjährigen Regierung mit dem wohlerworbenen Ruhme eines weisen Regenten, der, als letzte Ruine einer längst entschwundenen, anderen Zeit, ein von der Geissel des krieges Jahrhunderte lang heimgesuchtes Land neu geordnet und in blühendem Zustande hinterliess. Würdige Männer standen ihm in dem letzten Jahrzehnt zur Seite, vorzüglich aber Nicolaus Hahn, Vogt zu Güstrow, Johann Koss, Vogt zu Plau, Heinrich Flotow, Vogt zu Rübel, Hauptleute der Lieblingssitze der werleschen Fürsten in jener Zeit, Gerhard Ketelhot, Heinrich Cramon, Heinrich Luch, und andere mehr. Aber auf Nicolaus Hahn legte der Weise Fürst im Scheiden die Sorge des Landes, und Nicolaus Hahn stellte sich fortna mit Kraft und Erfahrung an die Spitze der Regierung. Am 14. Mai, an der Bahre des Fürsten, verliehen seine Söhne Heinrich und Johann den Geistlichen des Landes Werle das Gnadenjahr unter der Bedingung, dass alle Geistlichen jährlich am Sonntage nach Himmelfahrt, im J. 1277 dem Sterbetage des Fürsten, in den ihnen zunächst gelegenen Hauptkirchen sich versammeln sollten, um das Andenken der Stammältern des Fürstenhauses Werle zu feiern [XXXII]. Diese Verfügung geschah auf Betrieb des Ritters Nicolaus Hahn, und bei dieser Gelegenheit sprachen in Gegenwart der übrigen Räthe des entschlafenen Herrn die dankbaren Fürsten das Ehrenwort, dass "sein Andenken nicht untergehen werde und nicht untergehen solle" (memoria ipsius non deerit, debet merito nec deesse).
       Am 30. Mai 1277 und 1278 bedachten auch die Brüder Mathias, Nicolaus und Gerhard Ketelhot, die nächsten Verwandten des Ritters Nicolaus Hahn, unter seiner Mitwirkung, die Kirche und Pfarre zu Wattmannshagen. Am 30. Mai 1277 schenkten sie der Kirche zu Wattmannshagen 3 Hufen und 8 Kathen in Wattmannshagen [XXXIII] und am 30. Mai 1278 der Pfarre eine Hufe zu Raden [XXXVII] und stifteten dadurch Seelenmessen für die Familie Ketelhot und Hahn, namentlich für die Stammältern derselben. Aus diesen Zeiten stammt denn auch noch die schöne und grosse Kirche zu Wattmannshagen, welche, wie viele Kirchen in der Gegend von Laage und Teterow, würdige Zeugnisse eines edlen und kräftigen Geistes edler Vorfahren sind.
    Nicolaus I. von Werle hinterliess drei Söhne : Heinrich I., Johann I. und Bernhard I., welche schon einige Zeit vor dem Tode des Vaters an den Regierungsgeschäften Theil genommen hatten. Bernhard trat bald ganz in den Hintergrund und starb im. J. 1286. Die beiden älteren Brüder theilten um das J. 1280 das Land so, dass Heinrich das Haus Werle-Güstrow, Johann das Haus Werle-Parchim stiftete; die Verfügungen über Eigenthumsverhältnisse scheinen jedoch von allen Brüder gemeinschaftlich getroffen zu sein. Nicolaus Hahn erfüllte den Wunsch seines heimgegangenen Herrn und führte nach wie vor die Landesregierung, so viel er auch mit der Schwäche der neunen Regenten zu kämpfen haben mochte. Zwar konnte er es nicht hindern, dass sie im J. 1278 die Vormundschaft über das Land Meklenburg mit bewaffneter Hand, freilich ohne Erfolg, erzwingen wollten, da die Markgrafen von Brandenburg, die Schwäche aller Regenten im Lande benutzend, wieder andrängten und Saamen der Zwietracht säeten. Desto eifriger nahm er sich aber der Zustände des Landes Rostock an, welchem in den nächsten Zeiten eine traurige Zukunft bevorstand.
    Der erblindete Borwin, der Stifter des Fürstenhauses Rostock, war im J. 1278 nach einer langen, segensreichen Regierung gestorben und hatte von vier Söhnen nur Einen, Waldemar, im Leben hinter sich gelassen, der zu schwach war, um das üppige Aufstreben der rasch wachsenden Stadt zügeln und die Bildung der Hanse regeln zu können. Das Beispiel der Uebermuthes der Seestädte stecke wechselseitig an und auch Waldemar musste sich manche Demüthigung von der Bürgerschaft gefallen lassen. Die Fürsten von Werle, namentlich Heinrich, nahmen sich daher der Noth Waldemars an und waren mit den alten werleschen Räthen, Nicolaus Hahn an der Spitze, häufig in Rostock [XXXV bis XLVI]. Waldemar beschloss jedoch schon am 9. Nov. 1282 sein mühevolles, thatenloses Leben und hinterliess eine Witwe, Agnes von Holstein, und drei minderjährige Söhne. Heinrich von Werle übernahm jetzt förmlich die Vormundschaft über die fürstlichen Kinder und das Land und führte sie mit Eifer und Ruhm. Er war häufig in Begleitung von Nicolaus Hahn in Rostock und scheint dort selbst seinen Wohnsitz auf einige Zeit genommen zu haben [XLV]. In diese Zeit fällt die Bildung der Hanse, vorzüglich durch das grosse trostocker Landfriedensbündniss vom 13. Juni 1283 [XLIV], bei welchem Heinrich von Werle bei den vielen vormundschaftlichen Verhältnissen im Lande eine bedeutende Rolle spielte; er war in Rostock mit dem Kern der werleschen Ritterschaft, mit 25 Rittern, unter denen auch Nicolaus Hahn, Heinrich Flotow, Johann Koss, und alle die alten Räthe aus der Regierung des Fürsten Nicolaus I.
    Die innere Verwirrung ward aber noch grösser, als am 15. Oct. 1283 auch Johann I. von Werle starb und eine Wittwe und sechs junge Söhne [XLVII] hinterliess. Da ging Nicolaus Hahn zum Fürstenhausen Parchim und half hier bis an sein Ende treu und thätig, wie er überall da eintrat, wo die grösste Noth vorhanden, also der beste Theil zu erwählen war. Er handelte mitunter wohl noch zu Rostock neben  dem Fürsten Heinrich; im Allgemeinen aber nahm ihn die Regierung der werle-parchimschen Länder zu sehr in Anspruch, als dass er hier nicht sein volles Maß sollte gefunden haben.
   Die sechs fürstlichen Brüder waren beim Tode ihres Vater ohne Zweifel noch jung, da ihre Mutter, Sophie, des Grafen Günther von Lindow-Ruppin Tochter, bis zu ihrem Tode (zwischen 1301 und 1304) in mütterlicher Vormundschaft, wenigstens für die jüngsten Kinder, blieb. Zur Theilung für sechs Fürsten war das Land zu klein; daher waren die drei vorletzten in den geistlichen Stand getreten: Günther war Domherr zu Magdeburg und Güstrow, Bernhard und Heinrich waren Mönche in dem so eben, 285, gestifteten Dominikaner-Kloster zu Röbel, der Residenz der Fürsten Mutter, welche von ihrer Vaterstadt Ruppin her die Dominikaner-Mönche, seit 1246 in Ruppin, begünstigte und in ihrer aufblühenden Residenz Röbel die Geistlichkeit ganz besonders schützte. Der jüngste der fürstlichen Brüder, Henning, verschwindet seit dem J. 1291 aus der Geschichte. Der älteste, Nicolaus, ein Mann von bedeutenden Regierungstugenden, verhütetet glücklich eine Landestheilung; er führte ein Principat ein und regierte mit seiner Mutter Sophie zugleich im Namen seiner Brüder; zwar treten zuweilen die älteren seiner Brüder, Johann und der Domherr Günther, mit ihm auf, jedoch verhältnissmässig nur selten, und man kann sicher annehmen, dass Johann bis zum Tode seines Bruders nur dessen Mitregent war. In den ersten Jahren nach dem Tode seines Vaters regierte Nicolaus fast ausschliesslich mit seiner Mutter; seitdem er aber im J. 1289 den Ritterschlag empfangen hatte, tritt er als Regent selbständiger auf und seine Mutter mehr in den Hintergrund.
    Während dieser ganzen Zeit war Nicolaus Hahn beständiger Beistand des Fürstenhauses und tritt immer mehr als der erste nach dem Fürsten im Lande hervor. Von den alten Räthen erscheint fast nur noch Johann Koss. Dagegen treten neben Nicolaus Hahn vorherrschend in die Landesregierung : die Ritter Johann und Bernhard von Bellin, Mathias Ketelhot, Johann von Dessin, Conrad Büno, Nicolaus von Brüsewitz und neben diesen noch die Glieder der Geschlechter von Mallin, von Marin, Mosteke, von Oldenburg, Lehsten, von Cramon, u.A. Der Schauplatz des Wirkens war mehr das südöstliche Mecklenburg, namentliche Röbel, die Residenz der Fürstin Mutter, welche sich hier mit einem grossen geistlichen Hofstaat umgab, und die benachbarten Städte Plau und Malchow. Jedoch fingen die Fürsten in dieser Zeit an, die grösseren Städte wieder zu meiden; ja das Beispiel der Seestädte steckte die Landstädte an, welche nicht nur gegen die Fürsten, sondern auch gegen deren Ritter allerlei Muthwillen übten. Selbst die Stadt Plau war schon längere Zeit gegen die Landesherren aufsätzig gewesen; diese hatten in der Zeit von 1285-1287 das Schloss bei Plau aufführen lassen wollen, waren aber wahrscheinlich von den Bürgern daran gehindert, bis sie sich am 11. März 1288 mit diesen aussöhnten.
   
Nicolaus von Werle hatte sich daher beim Antritt seiner Regierung bei Wredenhagen eine neue Burg unter dem Namen Neuburg-Wenden erbauen lassen, auf welcher er den sütdöstlichen Städten des Landes und den Grenzen der Mark Brandenburg nahe genug war.  Durch solche Vorgänge geriethen die Fürsten in drückende Schulenlast. Um sie davon. zu befreien), vermittelten die Räthe Heinrichs von Werle; mit dem Ritter Nicolaus Hahnan der Spitze, dass die Vasallen der Länder Röbel, Malchow und Wenden oder Wredenhagen im J. 1285 die Schulden des Fürsten Heinrich zum Drittheil seines Antheils übernahmen; dafür verlegte er, zum Besten der Vasallen, um die Streitigkeiten zwischen ihnen und den Bürgern zu vermeiden, die Landgerichte der drei Läinder in die Dörfer Prieborn, Alt-Malchow, bald Kloster, und Zepkow, und befreite die Vasallen von der Verhaftung in den Städten und von der Entrichttung ausserordentlicher Contributionen, mit Ausnahme der zu ausserordentlichen Familienbegebenheiten des fürstlichen Hauses zu leistenden Abgaben.  Eine ähnliche Verhandung war schon im J. 1216 unter den Fürsten Heinrich und Johann von Werle in Beziehung auf das Land Gnoien vorgekommen. Durch solche Begünstigungen ward der Grund zu der Befreiung der Ritterschaft gelegt..   
    Im J. 1290 schloss Nicolaus von Werle ein Ehegelöbniss mit der Prinzessin Richenza, des Königs Erich von Dänemark Tochter.  Dieses Bündniss ward dadurch unendlich wichtig, dass der wackere Fürst, durch eine Verwandtschaft von Bedeutung gestärkt, mit Standhandftigkeit und Erfolg dem Könige widerstand, welcher bei der Schwäche des letzten Fürsten von Rostock, Nicolaus des Kindes, die Verwirrungen benutzte,  um der dänischen Macht in Deutschland wieder Einfluss und Bedeutung zu verschaffen.
    Des Fürsten Nicolaus Oheim, der alternde Heinrich, hatte sich als Vormund des Kindes von Rostock des Landes Rostock mit warem Eifer angenommen und es schien sich bei der Tüchtigkeit der werleschen Regenten und ihrer Räthe alles zum Besten zu gestalten : da geschah, um da Maß des Unheils voll zu machen, eine Greulthat, vor welcher sich der Freund des Vaterlandes mit Abscheu weggewendet. Heinrich von Werle hatte sich im J. 1291 mit der Prinzessin Mechtild von Lüneburg Tochter wieder vermählt. Seinen unnatürlichen Söhnen Heinrich und Nicolaus mochte die Stiefmutter ein Dorn im Auge sein; der Vater hatte ihnen schon zu lange regiert und durch die neue Vermählung trat sein glücklicheres Leben ihnen grell vor die Augen. Die Söhne erschlugen den Vater, als dieser am 8. Oct. 1291 von der Jagd herimekhren wollte. Ein Schrei des Entsetzens schallte durch das Volk, welches den Vatermördern die Thore verschlosss. Nicolaus von Werle hörte auf die Stimme des Volkes und seines Gewissens, auf Gottes Stimme, und erhob sich mit dem Volke strafend gegen seiner Vettern, welche bei den Fürsten des Landes und den Nachbarn Schutz fanden. Nicolaus griff zu den Waffen und setzte sich in den Besitz aller werleschen Lande und der rostockschen Vormundschaft; er war im Dec. 1291 in Rostock mit seinen ritterlichen Räthen, Nicolaus Hahn an der Spitze, der von jetzt an die erste Stelle in seinem  Rathe und in seinem Herzen einnahm. Der verwüstende Krieg gegen die Uebermacht der Feinde ward schwer und zog sich in die Länge; der Tod des jüngern Vatermörders im Anfange des J. 1293 stimmte den ältern wohl etwas herab, brachte ihn jedoch nicht zum Schweigen.  Doch die gute Sache siegte: bei Parchim schlug Nicolaus noch in demselben Jahre die Beschützer der ungerechten Sache aufs Haupt und zwang seinen Vetter Nicolaus, sich mit dem Besitze von Penzlin, welches ihm zuerst bereitwillig die Thore geöffnet hatte, zufrieden zu geben.
   
So wurden die gesammten werleschen Lande wieder unter den Scepter Eines Fürsten vereinigt.  Unter bedeutenden Mühen und Opfern suchte der Fürst Nicolaus die tiefen Wunden, die seinen Ländern geschlagen waren, wieder zu heilen, ja er beförderte dazu die Blüthe der alten Klöster Amelungsborn, Michelstein, Doberan, und besonders den Dom zu Güstrow, um demselben einen besondern Beweis seiner Huld zu geben, denn alle werleschen Fürsten und ihre Ritter beschützten diese Stiftung mit Vorliebe.
    So herrschte der grosse und edle Nicolaus, bis an sein Ende im J. 1316, Ruhmes und Segens reich, mit fester Hand für sich und seine Brüder, so stürmisch auch die Zeiten in den Ländern Meklenburg und Rostock im Anfange des 14. Jahrhunderts wurden.
    Eine Hautstütze seiner Thaten war aber der wahrhaft getreue und feste Ritter Nicolaus Hahn, der mit edler Weisheit von der Ausbildung des werleschen Staates an dreien Regentengeschlechtern kräftig beigestanden hatte und das Reich befestigt und geordnet einer jüngeren Zeit hinterliess, welche Jahrunderte hindurch auf den sicher gelegten Grundstein ruhig fortbaute, selbst bis auf unsere Tage. "Sein Andenken wird und soll nicht untergehen".
    Nicolaus Hahn starb im J. 1297, noch nicht 60 Jahre alt, nachdem er 30 Jahre lang, seit 1266, dem Fürstenhause und dem Vaterlande treu gedient hatte. Da er im J. 1266 als Ritter zuerst auftritt, so wird er umgefähr um 1230 geboren sein und mit dem Fürsten Nicolaus I. aus derselben Zeit stammen.  Mit dem J. 1294 verschwindet er aus dem öffentlichen Leben. Am 1. Jan. 1297 wird sein Name noch einmal, und zuletzzt, ausgesprochen, indem einer seiner Söhne, Eckhard, Hahns jüngerer Sohn (Egghardus minor Galli filius), genant wird. Wie sein Zeitgenosse Ludolf Moltzan, der wackere Vater von 6 Söhnen, welcher die Bekannten maltzanschen Linien stifteten, ohne Vornamen nur Moltzan gennat wird, so war auch Hahn der allbekannte Name eines hochverdienten Mannes.
    Die Gemahlin des Ritters Nicolaus Hahn wird nicht genannt. Seine nächsten Vernwadten waren die Ketelhot und die Mosteke. Die Ketelhot waren seine Vettern von mütterlicher Seite, da seine Mutter eine geborene Ketelhot war [XXXIII und XXXVII]. Am 30. März 1287 zeugen die Ritter Mathias und Gerhard Ketelhot und Conrad Büno für eine Vefügung über sein Dorf Schlakendorf; dies deutet vielleicht auf einen Erwerb aus der ketelhotschen Familie. Daher müssen ihm die Mosteke verschwägert gewesen sein. Schon am 17. März 1277 ist Nicolaus Hahn unter dem Zeuigen einer Veräusserung von Methling, welche der Ritter Hermann Mosteke auf Bitten seiner "Freunde" (ad peticionem amicorum suorum), d.h. seiner Verwandten, gemacht hatte. Am 16. Jan. 1289 wird
Nicolaus Hahn der Verwandte (cognatus) des Ritters Hermann Mosteke genannt und Nicolaus Hahn giebt durch Besiegelung der Urkunde seine Zustimmung zu Anordnungen über die mostekeschen Familiengüter Methling und Vippernitz.  Wahrscheinlich also war die Gemahlin des Ritters Nicolaus Hahn eine Schwester des Ritters Hermann Mosteke, indem in diesen Urkunden Nicolaus Hahn wahrscheinlich die Rechte seiner Gemahlin vertrat.  Als Hermann Mosteke am 19.  Nov. 1288 dem Kloster Dargun die Zehnten von dem Dorfe Vippernitz abtrat [LXV], war ebenfalls die Zustimmung seiner "Freunde" (amicorum suorum), welche die getreuen Beförderer des Bisthums Schwerin genannt werden, dazu nöthig; die Zeugen sind die Ritter: Nicolaus Hahn, die Brüder Mathias und Gerhard Ketelhot, Hermann Mosteke und Hermann von Bützow, ein Verwandter Thetlevs von Gadebusch, und Johann Moltke, wahrscheinlich alle verschwägert, da Hahn, Moltke und die Ketelhot allein auch in der Urkunde vom 16. Jan. 1289 genannt werden.   
    Als Kinder des Ritters Nicolaus Hahn kommen Nicolaus, Eckhard und Ludolf vor, deren Leben in den folgenden Abschnitten beschrieben werden soll.

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