§ 27 - Die Stammtafel der Wittenburger Linie bis um das Jahr 1380

        Die voraufgehenden Paragraphen haben den Leser mit der Thätigkeit und den Schicksalen der bedeutenderen Mitglieder der Familie von Blücher im Wittenburgischen bekannt -gemacht; dagegen haben über ihre nächsten Verwandtschafts-Verhältnisse, über ihre Eltern, Kinder und Geschwister, nur Aindeutungen gegeben werden können.  Es bleibt also jetzt die zwiefache Aufgabe übrig, einmal auch diejenigen Söhne und Töchter der Wittenburger Linie namhaft zu machen, die nur beiläufig Erwähnung gefunden und zur Betheiligunf an öffentlichen Angelegenheiten keine Gelegenheit gesucht oder gefunden haben, und zweitens den genealogischen Zusammenhang aller Personen aufzusuchen, soweit derselbe in den Urlunden Spuren hinterlassen hat oder sich aus diesem oder jenem Grunde mit mehr oder weniger Mahrscheinliclikeit vermuthen lässt. Denn es darf schon hier am Eingange der Erörterung nicht, verschwiegen werden, dass die Quellen über den verwandtschaftlichen Zusaminenhang der meisten Glieder der Wittenburger Linie nur sehr spärlich fliessen, und dass daher in den meisten Fällen nur Vermuthungen aufgestellt werden können, deren Kraft dem Verfasser, der sie durch die mannigfachsten Betrachtungen über die Verhältnisse jener Personen und ihre gegenseitigen Beziehungen geprüft und wieder und wieder erwogen hat, leicht zwingender erscheinen mag, als dein Leser, der einen strengen Beweis durch scharfe Schlussfolgerungen begehrt.
        Diese Erfahrung konnte der Leser übrigens auch oben schon machen.  Denn von den vier Stammvätern der Wittenburger Linie wurden freilich drei, Hermann, Heinrich und Ulrich der Dicke, als Brüder bezeichnet; Wipert (I.) aber wird dort, wo jene Bezeichnung angewendet ist, gerade nicht mitgenannt. und wo er in Verbindung mit zweien von jenen vorkommt, fehlt jede Benennung des Verwandtschaftsgrades.  Immerhin könnte jemand versucht sein, ihn als einen Vetter jener drei andern Blücher, etwa als einen Sohn des Ritters Johann und Bruder der beiden Bischöfe Ulrich und Hermann, hinzustellen, zumal, wenn sich hernach noch zeigen wird, dass auch seine muthmasslichen Nachkommen rüksichtlich des Güterbesitzes denen der andern drei Wittenburger Stammväter gegenüber eine gewisse Sonderstellung einnehmen; aber andererseits würden sich dann gerade die Besitzverhältnisse doch kaum erklären lassen.  Denn für Söhne jenes ersten Wipert erklärt man zunächst schon im den Namens willen den jüngern Ritter Wipert (II.), der eine und dieselbe Person mit Wibert von Lehsen zu sein schien, und seinen Bruder Hermann, der anfänglich als Hermann von Ziggelmark erwähnt wird, späterhin aber mit Wipert II. im gemeinsamen Besitze von Lehsen und Bakendorf erscheint.  Da aber neben diesem Knappen und späteren Ritter Hermann noch ein Geistlicher mit Namen Hermann von Lehsen erwähnt wird, so drängte uns dieser Umstand zu der Vermuthung, dass der Geistliche Hermann und der Knappe Friedrich von Lehsen Neffen Wiperts I. gewesen sein möchten, und dass dieser selbst noch, nach dem frühen Tode Friedrichs, zu dem Besitze von Lehsen gelangt sei, das er dann auf seine beiden Söhne vererbt hätte. Gewiss ist, dass das Lehsener Haus von allen Blücherschen allein noch im 17. Jahrhundert Besitzungen in Ziggelmark hatte.
        Noch schwieriger ist es, sich die Reihenfolge der Besitzer auf Waschow vorzustellen.  Dass dieses schöne Gut 1282 ein Lehn Ulrichs des Dicken gewesen, ward oben als wahrscheinlich hingestellt. Im Jahre 1335 aber war des Ratzeburger Bischofs Lehnmann wegen des bischöflichen Antheils an den Zehnten von Waschow der Knappe Wipert (III.), den man, wenn nicht andere Gründe bestimmt dagegen sprechen, zunächst seines Namens wegen doch für einen Enkel Wiperts I. ansieht.
        Sicher war dieser Knappe, Wipert (III.) nicht ein Bruder des Knappen Ulrich und des (späteren) Riters Heinrich, übner welchen in § 22 gesprochen ist; denn als er mit ihnen zusammen am 10. August 1316 zu Zarrentin erschien, um der Bestätigung der mehrerwähnten Schenkung Ulrichs des Dicken an das Kloster beizuwohnen, werden jene beiden ausdrücklich Brüder genannt, und dann erst wird er ihnen angereihet. Am 5. April 1319 war der Knappe Wipert als der Einzige aus seiner Familie bei dem Grafen Nicolaus zu Wittenburg, ebenso um 11. November 1322. Um seinetwillen nennt sich ohne Zweifel der Ritter Wipert (II.) in dem Stiftungsbrief für die Capelle zu Wittenburg, den er mit seinem Bruder am 22.  August 1323 vollzog, Wipert den älteren, aber etwas auffallend dünkt es uns, dass diese beiden Stifter, wenn anders sie, Söhne hatten, deren Namen dem Stiftungsbriefe nicht einverleibten.  Indessen nennen sie niemand aus ihrer Familie; man mag darum aus diesem Umstande noch nicht schliessen, dass sie keine Leibeserben hinterlassen haben. - Nach dem Tode des Grafen Nicolaus findet sieh Wipert, wieder im Gefolge des jungen Wittenburger Grafen Günzel VI., einmal am 18. September 1324, und dann am 28. October 1325, als der Graf die Dienste des Knappen Ulrich mit der Bede des Dorfes Holthusen belohnte.
        Dass gerade er fast allein aus der Familie von Blücher am Hofe des Grafen genannt wird, führt auf die Vermuthung, dass er entweder das Burglehn in Witteriburg selbst besass, oder dass er vor den Thoren der Stadt, auf Lehsen oder Ziggelmark oder auf Waschow, wohnte.
        Wir können hier leicht seine Nachkommenschaft weiter verfolgen; doch geben die Nachrichten über dieselbe auch nicht die erwünschten Aufschlüsse über sein Gut, und also keine Aufklärung über das Haus, welchem er angehörte.  Ob die Tochter eines Wipert von Blücher, für deren Aufnahme der Graf Heinrich von Schwerin (der damals nicht nur seinen eigenen Landestheil Schwerin, sondern seit Günzels Vl.  Tod (1327) als Vormund des Grafen Otto I. auch im Lande Witteilburg regierte) dem Kloster Zarreiltin im Jahre 1330 eine Rente aus der Bede von Schönlo schenkte, eine Tochter des Ritters Wipert (II.), oder aber eine Tochter des Knappen Wipert (III.) war, lässt sich mit Bestimmtheit freilich nicht mehr ausmachen; der Ritter würde aber doch wohl eine Andeutung seiner Würde und das Prädicat eines Verstorbenen empfangen haben.  Wenn aber der Prior Lüder in der oben (§. 26) erwähnten Memorienstiftung vom Jahre 1377 seines Vaters Wipert, seiner Mutter Syle (Cäcilie), seines Bruders Matthias und seiner verstorbenen Brüder und Schwestern gedenkt, so kann man hiernach wohl den Namen der Gemahlin Wiperts (III.) und seiner beiden geistlichen Söhne, sowie eine Tochter, Nonne zu Zarrentin, in die Stammtafel eintragen und mit grosser Wahrscheinlichkeit ihnen als eine zweite Tochter die Frau des bischöffichen Vogtes Markward Röbellen zu Schönberg beigesellen. Denn wohl nur, weil dieser aus einer vornehmen Lübeker Familie entsprossene Mann ihr Schwager war, bezeichneten jene beiden Geistlichen als ihren Freund (d. h. Verwandten) und liessen ihn an den Stiftunngen Theil nehmen.  Aber leider werden gerade die weltlich gebliebenen Söhne, die Nachfolger im Besitze Wiperts, verschwiegen.
        Und auch durch Combinationen ist hier nicht weiter zu kommen; wenigstens ist immer nur ein Sohn mit einiger Wahrscheinkeit zu ermitteln.  Denn der Burgmann Lüder (§. 24) würde sich, da er in den Jahren 1343-1374 vorkommt, seinem Lebensalter nach hier wohl einreihen lassen, kann jedoch schon um seines Namens willen, der dem des Priors gleicht, nicht in Betracht - kommen, da es ich nicht ohne Beispiel, aber doch selten war, dass ein Vater zweien seiner Söhne einen und denselben Vornamen gab.  Dann mag man zunächst sein Auge auf einen Knappen Vicke von Blücher werfen, weil er zuerst in der Umgebung des Bischofs Wipert von Ratzeburg auftritt, und man den Bischof wegen seines Namens doch gern mit Wipert von Blücher auf Waschow in eine ziemlich nahe Verbindung bringt, wenngleich Bischof Wipert, wäre er ein Bruder des Piors gewesen, ohne Zweifel Ehren halber in dem Stiftungsbriefe namemtlich erwähnt sein würde.
        Der Knappe Vicke ist nur aus dem Ratzeburgischen Stiftsarchiv bekannt.  Wir sehen ihn am Hofe des Bischofs Wipert zu Schönberg am 23. August und am 7. November 1360, am 23. Juli und am 8. October 1361. Sein Verhältnis zum